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Haushaltrede 2018 Andrea Schaffeld SPD

Diese Haushaltrede wird auf unserer Webseite veröffentlicht, weil deutlich gegen der Konsens Stellung genommen wird.

Haushaltsrede 2018

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen im Rat,

sehr geehrte Zuhörer und Zuhörerinnen, nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch bei vielen Ratskollegen hier am Tisch ist im Rückblick auf 2017 der Eindruck entstanden, dass wir ein chaotisches und zerstrittenes Politikjahr hinter uns gebracht haben.

Einige Schlaglichter dazu:

  • Außerhalb des Ratssaales hat kein Bürger und keine Bürgerin Verständnis für die Diskussion und das Vorgehen bei der Besetzung der Beigeordnetenstelle entwickeln können. In meiner HH-Rede des letzten Jahres habe ich gesagt „schnell, aber schlecht gemacht“ ohne zu wissen, was da wirklich auf uns zukommen würde.
  • Dass wir 12 Mio. € für die Sparkassenfusion geben würden und am Ende des Jahres mit einem völlig reduzierten Serviceangebot dastehen würden, konnten wir sicherlich da noch nicht wissen. Unsere Naivität in dieser Frage ist aus heutiger Sicht nicht zu erklären. Wir haben offenbar nicht genug über die Ziele der Fusion gesprochen und der Mehrheitsfraktion der CDU – die auch den Verwaltungsrat der Sparkasse dominiert – vertraut, dass dies schon ein gutes Ergebnis werden würde. Kunden und Beschäftigte zahlen den Preis dafür, dass die gebotene politische Gestaltungsverantwortung in diesem öffentlich-rechtlichen Institut nicht zu ihren Gunsten wahrgenommen worden ist. Jetzt wird die Struktur unwiederbringlich zerschlagen.
  • Dass die Infrastruktur in unserer Stadt immer stärker negativ von außen, von anderen Entscheidern bestimmt wird, zeigen die Sorgen, die wir uns um das Krankenhaus machen müssen. Es reicht bei weitem nicht, dass die Geschäftsführung im September beschwichtigende Erklärungen hier im Saal abgegeben hat. Wir halten es für falsch, abzuwarten, welche Entwicklungen oder Zukunftsaussichten sich die Pro Homine in Wesel ausdenkt. Wir tragen hier einen wesentlichen Teil der Verantwortung für die gesundheitliche Versorgung der Bürger und Bürgerinnen und die Arbeitsplätze der Mitarbeitenden in unserem Krankenhaus. Diesen Prozess müssen wir aus der Politik und Verwaltung aktiv gestalten. Wir fordern deshalb Gespräche mit den Aufsichtsgremien und der Geschäftsleitung.
  • In die Reihe der großen Baustellen, die uns Sorgen machen, aber nicht allein von uns bestimmt werden, gehört natürlich die Betuwe-Linie. „Große Bestimmer“ wie die Bahn-AG, das Land und der Bund wollen über den so genannten Konsens uns den kleinsten gemeinsamen Nenner in der Planung festlegen. Wir haben aber die Verantwortung in der Verhandlung für ein größtmögliches gemeinsames Vielfaches wahrzunehmen, das die Sicherheit, die Infrastruktur, den Landschafts- und Naturschutz und damit die Belange der Menschen an der Bahnlinie berücksichtigt. Wir können uns nicht mit weniger zufrieden geben. Natürlich schwebt die Bedrohung durch die Kosten wie ein Damoklesschwert über allen Ratsentscheidungen zur Betuwe-Linie.

Aber: ist es rechtlich eigentlich geklärt, dass dieses so genannte Konsensverfahren, das auf keiner gesetzlichen Grundlage steht, uns als gewählte Ratsvertreter in unserer freien Entscheidung zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger behindern darf?

Konkret: wenn wir hier wissen, welche Lösungen optimal für die Stadt sind und die großen „Bestimmer“ das anders sehen – kann uns jemand rechtlich belastbar zwingen gegen das „Wohl der Bürger“ zu votieren?

Diese Frage ist alles andere als philosophisch.

 Praktisch heißt das: wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, das Beste für die Stadt zu erreichen, nicht zu früh einknicken und uns nicht bang machen lassen vor der Zeit. Dazu braucht es die Durchsetzung des Forderungskatalogs, der endlich auch durch unsere Bundes- und Landtagsabgeordneten politisch unterstützt und finanziell abgesichert werden muss. Dazu hätten wir längst ein Gespräch gemeinsam mit der BI führen wollen. Leider ist bis heute kein Termin durch die Abgeordneten zustande gekommen.

Ja, wir haben in 2017 viel im Bereich von klein-klein gestritten. Ja, wir haben nur selten Ziele definiert, die wir für die unsere Stadt und die Bürgerinnen und Bürger erreichen wollen – wir haben häufig, viel zu oft, Probleme und selten  Lösungen in den Blick genommen.

 Der kleine Antrag der SPD „jeder Erstklässler soll einen Gutschein für ein Mitgliedsjahr in einem Sportverein erhalten“ ist das beste Beispiel für diese Streiterei ohne Zieldefinition. Sofort kann jeder sagen, warum das nicht geht oder nicht gehen soll (zu teuer, zu schwierig in der Abwicklung, wenn dann jemand nur 2xmal hingeht……). Die Liste der Bedenken ist unendlich erweiterbar. Niemand nimmt das Ziel in den Blick.

Das Ziel dieses Antrages ist es, dass jedes Kind (nicht nur die, die als Problemgruppe ohnehin stigmatisiert sind – BUT-Mittel) zur Teilhabe an dem reichhaltigen Sportangebot in unserer Stadt motiviert wird. Gesundheit, Gemeinschaft, Zugehörigkeit werden so erreicht. Die Vereine erhalten neue, junge Mitglieder. Ziele über die wir hier sprechen können. Auf die wir uns möglicherweise verständigen und erst im Anschluss die praktischen Lösungen und Wege zur Zielerreichung entwickeln. Bedenkenträger, die immer schon vorher wissen, warum was nicht gehen kann, müssen bei so einer Debatte außen vor bleiben.

 Ein anderes Beispiel, dass wir als SPD-Fraktion immer wieder fokussiert haben und weiterhin priorisieren: die Jugendpolitik und damit verbunden der Kinder- und Jugendförderplan der Stadt.  Auf unseren Antrag hin, läuft der Prozess der Erstellung des Kinder- und Jugendförderplans und wir erwarten im Sommer diesen Jahr einen nächsten Entwurf.

Durch die sehr erfolgreiche Veranstaltung „Emmerich für dich – deine Meinung zählt“, an der 150 Kinder und Jugendliche beteiligt waren, liegen uns nun 32 Seiten voller Fragen, Äußerungen, Kritiken und Wünschen der Jugendlichen vor. Genau diese Form der Partizipation ist in der Aufstellung eines Kinder- und Jugendförderplanes vorgesehen. Genau diese Beteiligung von Kindern und Jugendlichen brauchen wir als Ratsvertreter, um nicht als „Berufsjugendliche“ über die vermeintlichen Wünsche der Betroffenen zu entscheiden.

Für uns stellt sich nicht die Frage – wie in der vorliegenden Matrix – „wer ist für was zuständig“, sondern wie behalten wir den Kontakt zu den Jugendlichen, die sich beteiligt haben. Welche Antworten erhalten sie von uns als Politik? Vor allen Dingen wann?

Der singuläre CDU-Antrag zur Nutzung des alten Kinos am Rheinparkt für und durch Jugendliche ist ein Beispiel für „kann man tun – hilft aber nicht weiter“, wenn es kein Konzept für die offene Jugendarbeit für und mit jungen Menschen ab 14 Jahren gibt.

Wir sollten uns vorher über das Ziel verständigen: wollen wir Jugendarbeit für die ältere Zielgruppe von 14 – 18 und älter?  Wenn ja, dann bitte mit Konzept und unter Beteiligung der jungen Menschen. Am Ende kann Kino dabei herauskommen. Am Anfang muss die Frage nach dem Ziel beantwortet werden. Dann gehen Lösungen und wir müssen uns nicht an den Bedenken aufreiben.

  • Um die Streiterei in Bezug auf unsere größte Investition die Schulsanierung – die fälschlicherweise Bau der Gesamtschule heißt – zu beendigen, möchte ich  folgenden Vorschlag machen:  unser Ziel ist es als Schulträger beste Lernbedingungen für die Schüler und Schülerinnen zur Verfügung zu stellen. Es kann um nichts anderes gehen.
  • Bei der Leegmeerschule waren wir uns offenbar leicht und dauerhaft einig, bei der Gesamtschule ist das offensichtlich anders. Da gibt es immer wieder „Störfeuer“ aus der Ecke der Gesamtschulgegner und aus der „Ecke“ derjenigen, die der Verwaltung mangelhafte Leistungen unterstellen wollen. Dabei machen wir nichts anderes als die über viele Jahre vernachlässigte Bausubstanz unserer Schulgebäude zu sanieren und dadurch auch eine städtebaulich positive Wirkung zu erzielen. Nicht mehr und nicht weniger. Die Probleme, die dabei auftreten müssen gelöst werden, damit das Ergebnis am Ende stimmt: qualitativ und finanziell.
  • Tackenweideneubau – ja – nein. Diese Diskussion über den Neubau eines weiteren Asylbewerberheims außerhalb der bewohnten Stadt im Gewerbegebiet, hätte anders laufen können, wenn die Frage zuvor beantwortet wäre, was wir denn wollen.
  • eine Unterkunft für Asylbewerber für 2 Mio.€ oder
  • sozialen Wohnraum für Menschen, die aus eigener Kraft keine Wohnung anmieten können, weil sie Asylbewerber, einkommensschwach oder wohnungslos geworden sind, der in verschiedener Hinsicht genutzt werden kann und in einem Wohngebiet liegt.
  • Wenn es doch Alternativen gibt, dann lassen sie uns die Alternative nehmen, von der verschiedene Personen, Familien oder Gruppen profitieren können. Wenn wir Integration nicht nur wollen, sondern auch unbedingt umsetzen müssen, dann ist die Antwort ganz leicht und liegt auf der Hand – aber nicht im Gewerbegebiet.

Eigentlich waren wir uns sogar im Ziel einig. 10 Mio. € für die Entwicklung der Innenstadt als Sondervermögen der Wirtschaftsförderung zur Verfügung zu stellen, um das Tempo gegen den Leerstand der Geschäftsräume und gegen den Verfall der Häuser zu erhöhen. Ein klarer Auftrag ist ausgesprochen: die rechtlichen Wege zu klären und zu definieren, um diesen Plan umzusetzen. Also: 1. Ziel war klar, 2. Lösungsorientierung hergestellt, 3. Weg zum Ziel definiert – wenn alles geklärt ist, dann Nachtragshaushalt. Jetzt verlassen CDU und BGE diesen unspektakulären, geraden Weg und fordern, erst das Geld in den HH einzustellen, bevor die Ergebnisse auf dem Tisch liegen. Motivforscher würden vermuten: sieht besser aus in der Zeitung oder Mißtrauen gegen die Verwaltung oder eine Mischung aus beidem. Egal wie: es hilft nicht weiter, macht schlecht Stimmung und wir sind wieder am Anfang meiner Rede.

Zum Ende will ich nicht über Neumarkt, ISEK, Einzelhandelsgutachten, Kaserne, notwendige aktive Arbeitsmarktpolitik und Personalentwicklung, über die Ausbildung über Bedarf in der Verwaltung und die Kindergartenbeiträge sprechen – alles Themen, die uns beschäftigt haben und weiter beschäftigen werden.

Ich möchte gerne schließen mit dem Ausblick auf ein Projekt, von dem wir uns viel Belebung im Sozialraum der Innenstadt versprechen: De Witte Telder – wenn er mit Leben gefüllt ist. Wir freuen uns schon jetzt auf die Vorstellung des Konzeptes und der Ideen, die für die Innenstadt eine echte Bereicherung darstellen sollen. Sollte es uns wirklich gelingen, ein sozialraumorientiertes Projekt im ältesten Haus der Stadt zu installieren, dass die Bewohner anspricht, die Angebote vernetzt und verschiedenen Gruppen eine „Bleibe“ eröffnet, haben wir viel gewonnen.

 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.